classics. Geschichten aus dem Meer, erzählt von Skippern klassischer Segelschiffe
Liebhaber klassischer Segelschiffe erzählen aus ihrer Fahrenszeit und von ihren Schiffen. Geschichten von und über die Vanadis, Tamara, Willow Wren, Sleipnir IV, 12mR Anita, Vera Mary und Roland von Bremen.
- KardesH-verlAg
- ISBN-10: 3-938314-02-8
- ISBN-13: 978-3-938314-02-9
- Format: 20,5x 13,5 cm
- Umfang: 144 Seiten
- Veröffentlicht: 2006
- Erscheinungsort: Flensburg
- Preis: 15,00 EUR inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten
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Leseprobe
Was haben wir schon alles miteinander erlebt, ANITA und ich. Unsere Freundschaft begann vor nahezu dreißig Jahren, während meines ersten Törns. Im Laufe der Zeit folgten viele, und an jede Reise kann ich mich noch sehr gut erinnern. Denn ANITA schenkt Erlebnisse, die bleiben. Für mich gehört sie zu dem Typus Schiff, dem man entweder mit Haut und Haaren verfällt oder das man nur einmal segelt und dann nie wieder.
ANITA ist eine 12 mR-Traditionsyacht, von Seglern liebevoll "Zwölfer" genannt. Einst wurden mit solchen Schiffen die Wettfahrten um den America's Cup ausgetragen. Mittlerweile ist sie eine alte Dame, ohne Chance, eine solche Regatta gewinnen zu können.
Im Jahre 1937 brach das "Zwölferfieber" aus. Walter Rau, Besitzer der Margarinefabrik gleichen Namens, und sein Freund, John T. Essberger, Chef einer Reederei, ließen sich von der bekannten Werft Abeking und Rasmussen in Lemwerder bei Bremen jeder eine 12 mR-Yacht bauen: Mahagoniplanken auf Stahlspanten, das Deck aus Oregonpine, Mast und Baum aus Spruce (amerikanische Fichtenart). Diese Zwölfer wurden auf die Namen ANITA und INGA getauft. Gleichzeitig baute sich Henry Burmeester auf seiner Werft den Zwölfer ASHANTI.
Im Frühsommer 1938 gingen die beiden Yachten von A&R zu Wasser, gerade rechtzeitig, um an der KielerWoche teilzunehmen. ANITA (Baunummer 3241) bekam die Segelnummer 12 G 2 und INGA (Baunummer 3242) die Segelnummer 12 G 1. Da keines der beiden Schiffe - wie in diesen Jahren üblich - eine Maschine hatte, wurde ein Motorboot von 3.60 Metern als Schlepphilfe mitgeliefert. Zeitzeuge Jimmy Rasmussen berichtete, daß ANITA während der Kieler Woche gegen INGA und den englischen Zwölfer BLUE MARLIN antrat. Der englische Segler sei wie eine Jolle um die Bojen gegangen, während die unerfahrenen Crews der beiden deutschen Zwölfer mit killenden Segeln auf verlorenem Posten gekämpft hätten. Das hatte sich bereits ein Jahr später, zur Kieler Woche 1939, geändert. Die SPHINX, ein weiterer Zwölfer von A&R, der dem Norddeutschen Regattaverein gehörte, war Siegerin sämtlicher Wettfahrten. ANITA, INGA und ASHANTI belegten die Plätze zwei, drei und vier. Während des Sommers 1939 nahmen die deutschen Zwölfer an einer Regattaserie vor Kopenhagen teil. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs fanden die Segelaktivitäten ein jähes Ende. ANITA wurde bei A&R hoch und trocken gelegt und wartete auf bessere Zeiten. Nach dem Krieg wurden INGA und SPHINX in OSTWIND und WESTWIND umbenannt und dienten bis zum vergangenen Jahr der Bundesmarine zur Segelausbildung des Offiziersnachwuchses. ASHANTI verbrannte bei einem großen Feuer auf der Burmeester-Werft. ANITA wurde nur noch ein einziges Mal in Kiel gesegelt. Im Jahr 1951 wurde sie zur Yawl umgeriggt mit einem zusätzlichen Besanmast hinter dem Ruderstand. Von ihrem Charme hat sie dadurch nichts eingebüßt. Noch immer bestechen die herrlichen Linien ihres Mahagonibaues. Gleichzeitig wurde sie zum Fahrtenschiff umgerüstet (Verdrängung 26 Tonnen, 21,57 Meter Länge über Alles bei 3,60 Metern Breite, ausgestattet mit zehn Kojen), machte aber trotzdem nur wenige Reisen.